Navigieren in Elektromobilclub

Willi Lanker

Willi Lanker ist Jahrgang 1941 und von Beruf Physiker. Er hat sich auf wirtschaftlichem Gebiet weitergebildet und auf die technische Entwicklung von neuen Produkten spezialisiert. Mit Elektromobilen beschäftigt er sich seit 1982.

Er ist verheiratet und wohnt in Zumikon ZH


Interview mit Willi Lanker

Was war der der Auslöser, dass Sie sich mit Elektromobilen befassten? Und wann war das?

Für die Maschinenfabrik Delta AG, Solothurn, konnte ich 1983 an Entwicklung und Realisierung einer neuen Antriebseinheit Deltamat mitwirken. Diese besteht aus einem Elektromotor mit integriertem mechanischen Drehmomentwandler (Motor und stufenloses Getriebe, direkt mit dem Gaspedal mechanisch steuerbar). Sie weist einen besonders hohen Wirkungsgrad und geringes Gewicht auf und ist damit für Leichtbaumobile besonders geeignet. Diesen Antrieb haben wir u.a. in Elektro-Velos und Elektro-Rollern eingesetzt.

Wie kamen Sie zu Ihrem ersten Prototypen? Was war das für ein Gefährt?

Das weltweit erste Rennen für solarbetriebene Fahrzeuge, die Tour de Sol 1985, bildete eine ideale Gelegenheit, diesen neuen automatischen Elektroantrieb Deltamat einzusetzen, in Konkurrenz zu testen und bekanntzumachen.

Die Idee und Vorbereitung der Tour de Sol 1985 stammte von Josef Jenni, Oberburg. Sie wurde von der Schweizerischen Vereinigung für Solarenergie SSES mit dem Organisator Urs Muntwyler, Bern, in grossem Rahmen publik gemacht und im Juni 1985 mit breiter Unterstützung durchgeführt, mit dem Ziel, Bekanntmachung und Förderung von Solarenergie- anwendungen. Die Aufgabe für die 58 Teilnehmerteams mit selbstgebauten Solarmobilen war: allein mit der Sonneneinstrahlung auf 4 m² Solarzellenfläche an einem Elektromobil im Strassenverkehr (bei Regen und Sonnenschein) in fünf Tagesetappen vom Bodensee nach Genf zu fahren, was damals kaum für möglich gehalten wurde.
Unser mobi1 (mit ca. 800 W Leistung, 50 km/h Spitzengeschwindigkeit und 200 kg Gewicht) haben wir, meine Familie mit Frau und Sohn, konstruiert, gebaut und damit das Rennen bestritten. Dies mit tatkräftiger Hilfe von Ernst Eberhard, Zumikon, welcher auch das Aluminiumchassis gebaut hat.
 

    

Die erfolgreiche Durchführung dieses ersten Solarmobil-Rennens demonstrierte unübersehbar die Kraft der Sonne wie auch die Leistungsfähigkeit von Leichtbau-Elektromobilen mit grosser Resonanz in der Schweiz und international.
In der Folge wurden sowohl Solaranwendungen als auch die Elektro- und Solarmobilentwicklung auf breiter Front und mit neuem Anlauf aufgenommen, umgehend die nächste Tour de Sol 1986 ausgeschrieben und auch der Fahrer- und Konstrukteur Verband Solarmobil FKVS in Bern gegründet.
Die Tour de Sol 1985 war ein einmaliges, unvergessliches Erlebnis und Abenteuer. Im offenen mobi1, ohne Verbrennungsmotor und Benzin, nur mit dem Licht der Sonne durch Feld und Wald zu fahren – ein wahres Glücksgefühl. Im Solarmobil an den Messinstrumenten sehen zu können, wieviel Strom die Solarzellen liefern und wie relativ wenig Strom für die teils recht zügige Fahrt benötigt wurde, war auch einfach schön.

Wie haben Sie das Fahrzeug in der Folge eingesetzt?

Die erste Tour de Sol war ein Glücksfall; sie bildete einen Wendepunkt in der Entwicklung von leichten, regionalen Elektromobilen: z.B. wurden rasch zunehmend und weltweit Elektro- velos hergestellt, bis zu Millionen Stückzahlen jährlich, und auch Elektroroller und Kleinmobile wie Twike, MiniEl und Horlacher E-mobil kamen auf die Strasse, aktuell z.B. auch der Renault Twizy.

Wie beurteilen Sie aus heutiger Sicht Ihr Projekt? Was hat es der damaligen Entwicklung der Elektromobilität gebracht?

In Weiterentwicklungen zum Leichtbau-Elektro- und Solarmobil und zur Teilnahme an der als Weltmeisterschaft organisierten Tour de Sol 1987 haben wir unser neues mobi 2 konstruiert und gebaut. Dabei half uns auch Helmut Wehren, Jegenstorf (als ein Pionier der TdS 85 und Fachmann in modernem Komposit-Leichtbau) bei der Entwicklung der Komposit Chassis-Schale und der Aramid-Sandwich-Karosserie. 1987 haben wir damit den 1. Rang bei den strassen-zugelassenen Prototypen (mit separater Solartankstelle) erreicht. Dies ebenso an der Tour de Sol 1989 mit dem weiterentwickelten mobi 2.


        
Nach meiner Vorstellung sollte das mobi 2 auch folgende Aufgabe erfüllen: eine Pendlerstrecke von 50 km (bei jedem Wetter) gleich schnell wie ein Auto mit minimalem Verbrauch zurückzulegen. Dies wurde erreicht: mit einem Verbrauch von 25 Wh/km bei 80 km/h entsprechend ca. 0.3 l Benzin/100 km. Es ist also ein 0.3 Liter–Mobil, mit Spitzengeschwindigkeit 100 km/h, Leistung 3 kW und Gewicht inklusive NC Batterien von 120 kg. Mit Freunden haben wir in der Folge noch zwei weiterentwickelte Prototypen mobi 3 gebaut und im Pendlerverkehr eingesetzt.


Bei der Konstruktion von mobi 2 war für mich das grosse Vorbild in der Natur der Schwertwal: Mit seiner Eleganz und souveränen Beweglichkeit in seinem Medium und mit einer Effizienz, die kein technisches Produkt aufweisen kann.

Wie beurteilen sie die heute marktgängigen Elektromobile? Genügen Sie den Anforderungen?

Die Tour de Sol gab auch einen Anstoss für das Swatch-Auto von Hayek – heute Smart und Elektro-Smart von Mercedes.

Einen Wendpunkt in der Elektro-Auto Entwicklung haben sicher Tesla und Elon Musk 2008 eingeleitet: mit dem ersten Elektromobil seit hundert Jahren mit vergleichbarer Leistung, Reichweite und Preis wie ein Benzinauto. Mit der ersten Serie von 2500 Stück des Tesla Roadster, welcher folgende Aufgabe erfüllt: einen attraktiven, konkurrenzfähigen Elektro-Sportwagen anbieten, welcher gleich schnell und nicht teurer ist als ein Porsche 911, mit genügender Reichweite und mit mehrfach geringerem Verbrauch.

Alle Roadster wurden in kurzer Zeit verkauft wie auch die folgenden Tesla model S. Vom Tesla model 3 wurden bei dessen Ankündigung im März 2016 innert wenigen Tagen mehr als 300 000 Stück mit Vorauszahlung bestellt (was es in der Geschichte des Automobils noch nie gegeben hat). Auf meiner ersten Probefahrt 2012 mit einem Tesla Roadster war für mich nach Minuten klar, dass solche voll konkurrenzfähigen E-Autos eine neue Dimension, ein neues Gefühl des Autofahrens eröffnen können und dass die nachfolgenden Modelle in tieferen Preisklassen (wie der Tesla model S ab 2012 und neu model 3 ab 2017) stark zunehmend und unaufhaltsam neue Käufer finden werden.

Mit einer Ankündigung von VW am Autosalon Genf 2017: „VW wird die Elektromobilität zum Dieselpreis anbieten“, dürfte diese Wende hin zum Elektro-Auto auch von der Automobilindustrie bestätigt sein.

Beurteilung: Die Preise von einigen heute angebotenen Elektro-Autos sind seit 2012 schon stark bis auf ein konkurrenzfähiges Niveau gesunken. Die Batteriepreise werden langsam weiter sinken.

Was für ein Elektromobil fahren Sie heute? Welches Auto würden Sie gerne fahren, wenn der Preis, etc. keine Rolle spielte?

Ich habe die Gelegenheit, verschiedene Elektromobile zu fahren, benötige jedoch kein neues Auto. Wenn ich 2017 ein neues Auto brauchte, würde ich z.B. einen Opel Ampera-e kaufen (mit vergleichbarer Leistung, genügender Reichweite von ca. 300 km und konkurrenzfähigem Preis um 30 000 Fr.) und für kürzere Reichweiten bis 150 km z.B. einen Mitsubishi MiEV, mit Preis um 20 000 Fr.

Wo sehen Sie die Zukunft des Elektromobils? Chancen und Risiken?

Die Elektromobil-Produktion ist jetzt in der Automobil-Industrie angekommen. Das Modell-Angebot wird breiter, die Preise werden kaum mehr sinken und die Stückzahlen werden der Nachfrage entsprechend steigen.

Diese Nachfrage kann gesteigert werden, indem das Verhältnis von Gesamtnutzen/ Gesamtkosten von Elektromobilen im Vergleich zu jenem von Benzinautos für potentielle Käufer und Benützer besser bekannt und damit vergleichbar gemacht wird:

  • dass die Gesamtkosten neben dem Kaufpreis auch Unterhalts-, Betriebs-, Treibstoffkosten und Steuern beinhalten, welche für das Benzinauto wesentlich höher sind als für das Elektromobil
  • und dass der Gesamtnutzen neben den bekannten Kriterien wie Fahr-und Transport-Leistung beim Elektromobil auch noch einen Zusatznutzen wie Zugang zu abgasfreien Zonen, Parkplätzen und Fahrspuren, reduzierte Verbrauchssteuern und ein erfreulicheres, neuartiges Fahrgefühl im Vergleich zum bekannten Benzinauto gegeben sein kann. 

Je besser ein neuer Käufer seinen Gesamtnutzen und seine Gesamtkosten für ein seinem Nutzungszweck entsprechend passendes Elektromobil abschätzen kann, desto besser fällt der Nutzen/Kosten-Vergleich mit einem Benzinauto aus.

Was erhoffen Sie sich von der Politik zu diesem Thema?

Diese Informationen und den Zusatznutzen könnte die Politik weiter bekannt machen und fördern – im Interesse der ganzen Volkswirtschaft.

Was wünschen Sie sich vom ECS?

Der ECS könnte diese Informationen über die aktuellen Elektromobile auch weiter sammeln, aufbereiten und Interessierten zugänglich machen.